Ich war mein Leben lang normalgewichtig, im oberen normalgewichtigen BMI Bereich, und hatte in meinen Augen immer eine wunderschöne Figur mit großer Oberweite und Kurven an den richtigen Stellen;-)) mein (verstorbener) Mann sah es genauso.Er hatte von je her einen Faible für Frauen mit meinen Kurven ;-) schlank war ich noch nie.Hatte auch niemals den Wunsch, idealgewichtig zu sein.
Für manch einen wäre ich sicherlich mit meinen ca. 72 kg auf nicht ganz 1,70 m Körpergröße zu "dick" gewesen, aber diese Ansicht gestehe ich auch jedem zu.Ich habe mich mein Leben lang mit diesem Gewicht immer sehr wohl und überaus attraktiv gefühlt.Auch wenn ich nie schlank war, war ich deshalb nicht vollkommen unsportlich, Spagat schaffte ich locker aus dem Stand, "Klappmesser"-Übungen waren auch kein Thema für mich, ebenso wenig wie lange bequem im Schneidersitz sitzen oder mit übereinandergeschlagenen Beinen... und 8-10 km bin ich locker mit meinem Hund spazierengegangen.Und auch nach Stunden habe ich in meinen geliebten Orlando High Heels meine Füße noch nicht unangenehm gespürt;-)und (meiner Meinung nach;-)) ) sah alles, was ich gerne an Klamotten tragen wollte, auch gut aus...
Ich ernähre mich zwar schon fast mein ganzes Leben lang (seit meiner Kindheit an) vegetarisch, und nachdem ich mich informiert und begriffen hatte, was neben der "Ernährung" mit toten Tieren ebenso eine vegetarische Ernährung an Leid, Hungersnot auf der Welt und Umweltsünden anrichtet, schon seit vielen Jahren vegan, aber das heißt nun nicht, daß ich mich deshalb gesund ernährte.Auch eine vegane Ernährung kann durchaus ungesund sein, wenn man vornehmlich Weissmehl, zuckerhaltige und fetthaltige Lebensmittel ißt.Ich war ein sogenannter "Pudding-Vegetarier" und später "Pudding-Veganer"... d.h., ich habe mich auch nicht gesünder ernährt als das Gros der meisten Mischköstler um mich herum.Salat und Obst standen eher selten, eigentlich so gut wie nie auf meinem Speiseplan, und gegen Pizza, Pasta mit fetten Saucen, Kuchen, Süßkram, etc. hatte ich nichts;-) naja, nicht gesund, aber ich hatte ein Körpergewicht im normalgewichtigen Bereich... und meine latente Binge Eating Disorder hatte ich während der zwei Jahrzehnte mit meinem Mann gut im Griff... das Monster schlief wohl tief und fest...
Keine Ahnung, ob jeder so ein Monster hat (?) und wie es sich bei anderen äußert... aber nach dem plötzlichen Tod meines Mannes... während ICH mich über einen langen Zeitraum nur noch weggeswitcht habe aus meinem Körper und aus meinem Leben, um die Situation überhaupt aushalten zu können... ist dieses Monster in mir erwacht... das Monster namens "Binge Eater"... das da schon lange, seit meiner späten Jugend, in mir schlummerte und lauerte, und nun seinen großen Auftritt hatte...
Unmittelbar nachdem mein Mann vollkommen überraschend starb, erlitt ich einen Totalzusammenbruch, spontane Sturzblutung (wäre ich schwanger gewesen, hätte ich das Kind verloren), konnte nicht mehr essen und nicht mehr schlafen... habe keine Taschentücher zum Weinen benötigt, sondern am Tag zwei Zewarollen verbraucht und ich nahm während der ersten Wochen danach rapide ab...
Bis sich mit einem Mal das Blatt vollkommen wendete... und ich zu FRESSEN begann wie eine Geistesgestörte... ich begann nach Jahren wieder zu rauchen (was ich mir indes durch eine nikotinfreie E-Zigarette wieder abgewöhnt habe^^) und ohne Unterlass Tag und Nacht zu FRESSEN...
Es ging lange Zeit nichts mehr... außer atmen... Kette rauchen und FRESSEN...
Wie ich im Jahr nach dem Tod meines Mannes meinen Alltag überhaupt noch organisiert habe, kann ich im nachhinein eigentlich nicht mehr nachvollziehen... ich weiß nicht mehr, wie ich es noch geschafft habe, meinen Hund zu versorgen, mich ab und an zu kämmen und unter die Dusche zu stellen und halbwegs meine Wohnung sauber zu halten...
Ich war gar nicht mehr wirklich bei mir... an arbeiten war nicht zu denken... zum Glück hatte ich Ersparnisse, von denen ich dann über ein Jahr lang lebte... ich verbrachte ein Jahr lang damit wie paralysiert bei zugezogenen Vorhängen und heruntergelassenen Jalousien in meiner Wohnung vor meinem PC zu sitzen und auf eine Nachricht von meinem Mann zu warten... (wie sich jeder denken kann... hätte ich das Warten nicht irgendwann aufgegeben, würde ich jetzt noch warten, denn Tote haben's ja bekanntlich nicht so mit E-Mails schreiben...).
Im Grunde tat ich ein Jahr lang nichts anderes außer sitzen - starren - warten... Kette rauchen, Wein oder Wein mit Cognac runterkippen und FRESSEN... starren - warten - FRESSEN... geschlafen habe ich nur selten, nur dann, wenn ich gar nicht mehr konnte... ich habe auf ein Wunder gewartet, auf eine E-Mail von meinem Schatz, eine sms, einen Anruf von meinem über alles geliebten Menschen, meinem Ein und Alles, meinem wichtigsten, einzig wirklich wichtigen Menschen unter 8 Milliarden Menschen...
Während dieser Zeit war mein Schreibtisch meine "Welt"... mittig der PC, links davon immer der übervolle Aschenbecher und Tabakwaren, manchmal hatte ich zwei Zigaretten gleichzeitig angezündet, und realisierte es erst, wenn ich eine in der linken und gleichzeitig eine in der rechten Hand hatte... rechts von mir türmten sich Pizza, Pasta, Pide, Dürum, Süßkram, Tiramisu, Kuchen, wir haben einen wunderbaren "Italiener", der diese Köstlichkeiten vegan herstellt (und der zwischenzeitlich auch selbst Veganer ist;-) ), und der einen Heimlieferservice hat... ich war wohl sein bester Kunde während dieser Zeit... eine Flasche Rotwein stand meist irgendwo auch noch daneben rum... und so FRAß ich... ein Jahr lang...
Nach einem Jahr ahnte ich dann allmählich, daß ich für immer umsonst warten sollte

Das war der Zeitpunkt, an dem ich dann mal vorsichtig meine Vorhänge und Jalousien wieder aufzog nach einem Jahr lang "Fledermausleben" in einer "düsteren Höhle", abgeschirmt von der Welt da draußen...
und das war der Zeitpunkt, an dem ich mich erstmals nach langem wieder im Spiegel betrachtete... und erschrak, und mich nicht wiedererkannte... ich hatte mich innerhalb eines Jahres gewichtsmäßig mehr als verdoppelt, von 72 kg auf letztendlich 147 kg...
Eine Psychotherapeutin, die ich durch eine Trauer-Selbsthilfegruppe kennengelernt habe, bei der ich jedoch nicht in Behandlung war, erklärte mir vor einigen Monaten, dass meine immense Gewichtszunahme vermutlich durch eine PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) ausgelöst wurde.[Ist aber nicht diagnostiziert, ich hatte mich mit ihr nur "normal" unterhalten.] Mein bereits latent vorhandenes BED (Binge Eating Disorder) bot da natürlich den "idealen Nährboden"...
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